Als authentischer, südosteuropäischer Ausländer verspüre auch ich, natürlich, gelegentlich das Bedürfnis, meinen Mitmenschen – poetisch ausgedrückt – das Gesicht mit meiner Faust zu verschönern. Aber man kann das heute ja gar nicht mehr tun, es fehlt die gesellschaftliche Akzeptanz. Bevor man sich also zum geächteten Aussenseiter mit Agressionsproblemen macht, sollte man der altehrwürdigen Beschäftigung des Faustkampfes irgendwie anders frönen, mit dem Spiel Punch Club zum Beispiel.

Die Rache trägt Shorts

In besagtem Indiegame tut man nämlich genau das – reihenweise Leute vermöbeln. Dies in der Gestalt eines jungen Rächers mit sehr fragwürdigem, auf knielangen Hosen basierendem Modegeschmack, der sich durch die Welt der legalen und illegalen Wettkämpfe boxt, auf der tragischen Suche nach dem Mörder seines Vaters.

Dabei ist Punch Club vor allem ein Managementspiel, bei dem die alltäglichen Bedürfnisse des Protagonisten gestillt werden müssen, während man ihn gleichzeitig zu einer unbesiegbaren Kampfmaschine aufzieht. Und, wie das Leben nun mal so ist, ist es gar nicht so leicht, das Geld für Essen, Trainingsgeräte, die öffentlichen Verkehrsmittel und natürlich den allergrössten Kostenpunkt im Leben eines jeden Mannes, die eigene Freundin, aufzubringen.

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Auf einer Karte, die etwas an die alten Mafiaspiele erinnert, sucht man sich so tagtäglich die lohnendsten Jobs aus, erledigt seine Einkäufe, freundet sich mit zwielichtigen Gestalten an und zu alledem muss man auch immer ein wenig Zeit finden, um in den Boxring zu steigen und seine Fähigkeiten aufzufrischen. Die stagnieren nämlich und gehen sogar verloren, leider ziemlich schnell sogar, wenn man seine Zet lieber auf der heimischen Couch vor dem Fernseher verbringt.

Die Quittung für’s Faulenzen sind in aller Regel verlorene Wettkämpfe, denn wer in der Welt derjeniger, die ihre Probleme mit körperlichem Einsatz zu lösen pflegen, ganz oben sein und dort auch bleiben will, der muss täglich am Ball, bzw. an den Hanteln bleiben.

Rollenspiel light

Punch Club ist, wie erwähnt, weniger ein Kampf- als vielmehr ein Managementspiel, bei dem die zahlreichen Kämpfe, um die sich das Spiel dreht, durch zahlreiche Faktoren, wie etwa Laune, Charaktereigenschaften und erlernte Fähigkeiten, errechnet werden.

Hier unternimmt das Spiel einen Ausflug in die Welt der Rollenspiele: Der Protagonist hat die Wahl, mit den bei Kämpfen erworbenen Punkten zahlreiche Fähigkeiten und Kampfstile freizuschalten, die die eigene Art zu kämpfen definieren und sich teils massiv von den Stilen der Gegner unterscheiden können. Momentan herrscht hier noch ein etwas ungerechter Vorteil zu Gunsten des Geschicks, das, falls genügend hoch, fast sämtlichen anderen Eigenschaften überlegen ist und durch das man im Kampf praktisch kaum noch zu treffen ist.

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Ebenfalls an Rollenspiele erinnern die Dialoge und Optionen, in denen man mit den Einwohnern seiner Heimatstadt agieren kann. Allerdings sind diese natürlich bei weitem nicht so ausgereift wie dies bei richtigen Rollenspielen der Fall wäre. Aber ich drücke hier gütig ein Auge zu, denn Punch Club legt den Fokus ganz klar auf das Management eines anfänglichen Spargeltarzans zum gefürchteten Ringkämpfer.

Die Welt für 10 Euro

Der Umfang von Punch Club ist massiv, insbesondere im Hinblick auf den Preis, der bei Steam zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Artikel schreibe, bei 10 Euro liegt. Für dieses Geld erhält man ein erstaunlich umfangreiches Indiegame, das es locker mit Konkurrenten, die das Dreifache kosten, mühelos aufnehmen kann.

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Sehr charmant sind auch die Anspielungen an die Popkultur, die überall im Spiel zu finden sind: So trifft man etwa auf das Gangsterduo aus Pulp Fiction oder, in leicht abgewandelter Form, in der städtischen Kanalisation auf die Ninja Turtles. Das Setting ist angelehnt an die Karate Kid Filme der 80-er Jahre, was auch sehr liebevoll und authentisch umgesetzt wurde. So authentisch, dass man die elektronische Musik, bekannt aus den frühesten Nintendo-Konsolentiteln, irgendwann entnervt leise dreht. Was ich allerdings keineswegs als Nachteil erwähne, sondern als konsequente Stilwahl schätze.

Ein grosses Aber

Man könnte nun sagen, dass die Entwickler von Lazy Bear Games mit Punch Club ein kleines Juwel auf den Markt gebracht haben, und ich würde gleich meinen Bleistift spitzen, meinen Tintenfüller nachfüllen oder einen Kugelschreiber aus der Schublade holen, um diese Wertung zu unterschreiben. Aber: Einen grossen, und meiner Meinung nach vollkommen unnötigen Negativpunkt hat das Spiel.

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Nämlich die störend schnelle Abnahme der antrainierten Fähigkeiten. Viele Kommentatoren sagen, man würde damit versuchen, das Spiel künstlich in die Länge zu ziehen. Sollte dies das Ziel der Entwickler gewesen sein, ist es umso unverständlicher, denn auch ohne die ständig abnehmenden Fähigkeiten bereitet Punch Club stundenlangen Spielspass.

Dieser wird im Grunde einzig und allein von diesem lästigen Umstand getrübt, dieser vollkommen überrissenen Stagnation von Trainingsfortschritten. Ich plädiere dafür, diese Spielmechanik mindestens etwas einzudämmen, denn damit hat das Spiel den faden Beigeschmack, den MMORPG’s haben, wenn man stundenlang Gold, Zutaten oder Erfahrungspunkte roden muss.

 

Ivan wohnt direkt über einem Döner-Schnellimbiss. Das ist durchaus vorteilhaft, wenn man seine Zeit mit wichtigeren Dingen als Kochen - beispielsweise über Videospiele schreiben - verbringen will.

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