2015 war für mich das Jahr der positiven Überraschungen. Obwohl sich, über das Jahr verteilt, so einiges Drama in der Videospielszene abspielte, erschienen unzählige wunderbare Titel von kleineren Studios – und das oft unterm Radar des Gelegenheitsspielers. Triple-AAA Entwickler lieferten zwar mit Spielen wie Witcher 3, Fallout 4 und Assassin‘s Creed Syndicate auch eine durchwegs solide Leistung ab, jedoch hatten dieses Jahr die Indie-Entwickler eindeutig ihre Nase vorn.
So viel Kreativität und Fortschritt in der Branche gab es schon lange nicht mehr! Zudem rücken diese Spiele auch medientechnisch immer weiter in den Vordergrund. Warum denn auch nicht, zu bejubeln gab es 2015 ja genug. Von Undertale über Axiom Verge bis Rocket League findet sich in jedem Genre mindestens eine neue Perle. Mein Jahr 2015 haben aber jene Spiele geformt, die mich ganz unverhofft umgehauen haben.
Of Mice and Men
Eines davon ist Vermintide. In dem Spiel, vom schwedischen Developer Fatshark, schneidet und klopft man sich, wie der Name schon sagt, durch ewige Wellen von Skaven, einer Rasse von mutierten Rattenmenschen aus dem Warhammer Fantasy Universum. Eben dieses ist auch wunderbar umgesetzt und wirkt aussprechend detailreich.
Man merkt, dass viel Liebe in die Darstellung und das Design des Ungeziefers gesteckt wurde. Das Spielprinzip ist eine peinlich genaue Kopie des Left 4 Dead Prinzips, was jedoch den Spaß nicht abwertet. Ganz im Gegenteil, das wuchtige Zermetzeln von Horden von Gegnern fühlt sich besonders imposant an, wenn man sich im Nahkampf geschickt durch pelzige Massen schlägt – etwas, das einem Left 4 Dead nicht bieten kann.
Zum „eine spiel ich noch“-Faktor trägt auch das Loot-System bei. So wird man für seine gespielten Runden mit neuer Ausrüstung belohnt. Man fühlt nach jeder gewonnenen Runde eine intensive Mixtur aus Erleichterung und Glücksgefühlen. Leider ist das System an sich stark zufallsbedingt. Am Ende eines Levels bekommt man eine Standardanzahl an Würfeln. Diese können, wenn sie gerollt werden, entweder ein Treffer sein, oder nicht.
Für jeden Treffer erhöht sich der Rang des Gegenstands, den man dann bekommt. Durch das Sammeln von speziellen Items in der Spielwelt kann man sich zwar bessere Bonuswürfel erarbeiten, ob man braucht was man bekommt ist aber Glückssache. Das heißt falls man überhaupt etwas erhält, denn egal wie weit die Gruppe auch kommt, wenn man stirbt gibt es gar keinen Loot. Ein friedliches Zusammenspielen mit Fremden wird damit des Öfteren zur Tortur, wer allerdings ein paar Freunde auftreiben kann, hat im Koop etliche Stunden Spielspaß.

Überrascht hat mich Vermintide dank seiner – typisch Warhammer – dichten Atmosphäre, dem toll umgesetzten Nahkampf und der ewigen Jagd nach besserem Gear, auch wenn die manchmal frustrierend endet.
Vielfalt im nuklearen Ödland
Seit Ed McMillen’s The Binding of Isaac freut sich das Roguelike-Genre über zahlreiche Neuankömmlinge. Experimentierfreudig zeigen sich die Entwickler von Spielen wie Risk of Rain und FTL. Sie erforschen verschiedene Möglichkeiten das alte Genre aufzufrischen, auch wenn dadurch die Definition dessen immer schwammiger wird.
Im Dezember 2015 erscheint dann ganz unscheinbar ein neues Prachtexemplar aus dem Early Access. Das Machwerk des holländischen Developers Vlambeer nennt sich Nuclear Throne und spielt sich wie ein klassischer Twinstick-Shooter im Roguelike-Format. Als einer von zwölf Charakteren geht es darum sich durch knochenbrecherische Levels zu schießen, um schließlich den nuklearen Thron zu erklimmen.

Mit was schießt man denn, fragt sich hier der aufmerksame Leser. Nuclear Throne bietet ein riesiges Arsenal an ausgefallenen und differenzierten Spielzeugen, das Highlight des Spiels. Jede Runde startet man mit einem simplen Revolver. Dieser reicht zwar zum Töten kleinerer Unholde wie Banditen oder Skorpione, bei den erbarmungslosen Bossen müssen aber schnell schwerere Geschosse her.
Diese sind in vier Munitionstypen eingeteilt, Bolzen, Explosiv, Kugeln und Energie. Von Fünffach-Armbrust bis zur Gatling Bazooka ist alles vorhanden. Dabei unterscheiden sich diese Waffen spielerisch auch noch sehr, mit jeder muss man üben, um ihr volles Potential auszuschöpfen, jede bringt ihre eigene Strategie mit sich. Wenn man das dann noch mit den Mutationen kombiniert, Upgrades die man bei Level Ups vergeben darf, dann bietet sich eine unglaubliche spielerische Tiefe.
Negatives gibt es dann doch zu berichten: die Grafik ist zwar detailreich, aber auch kein Hingucker. Zudem ist das Spiel auf 30 FPS limitiert, was heutzutage wirklich nicht nötig sein sollte. Mir hat das den Spielspaß zwar nicht verdorben, ein Manko ist es aber schon.
Moderner Klassiker
Es zeichnet sich hier eindeutig ein Schema ab: ich mag gute Spielmechaniken. Das zeigt sich auch in meiner nächsten Wahl. Im Oktober brachte der ehemalige japanische Opernsänger Ojiro Fumoto Downwell auf den Markt. Was dabei herauskommt ist eine Liebeserklärung an klassische Spielkultur.
Arg minimalistisch ist alles an Downwell. Die Story? Ein Mann findet einen Brunnen im Park und springt rein. Die Steuerung? Man kann sich nach links und rechts bewegen und hüpfen, oder mit demselben Knopf nach unten schießen. Mit simplen Methoden saugt einen Downwell ein, wie man es sonst von Tetris oder Pacman kennt.
Das einzige Ziel ist es, immer tiefer und tiefer in den Brunnen vorzudringen, was einem Gegner und gefährliche Hindernisse erschweren. Mit Waffenupgrades, passiven Skills und einem rudimentären Shopsystem muss man gegen den ansteigenden Schwierigkeitsgrad ankämpfen. Es ist nicht leicht die schlichte Eleganz von Downwell in Worten zu erfassen, man muss es selbst gespielt haben. Das fällt einem, bei einem Kaufpreis von rund drei Euro, allerdings leicht.
Devolver Digital: Von 0 auf 100
Ohne großes Mediengetöse schaffte ein Publisher es, ein gutes Spiel nach dem anderen zu veröffentlichen. Dabei gehören viele jener zu meinen Top-Titeln des Jahres. Alles fing mit einem belanglosen Remake eines alteingesessenen Titels an.
2009 erschien Serious Sam HD: The First Encounter, veröffentlicht von einem im selben Jahr gegründeten Publisher, Devolver Digital. Dass das nur wenig veränderte Remake eher mäßig bewertet wurde, hielt das Team nicht davon ab über die nächsten drei Jahre nur Titel zu dieser Marke zu veröffentlichen, mit lauwarmem Erfolg. 2012 stießen sie dann auf den Durchbruch mit Dennaton- und Abstraction Games, ihr Spiel – Hotline Miami – wurde ein Indie-Hit.
Seither übt sich Devolver Digital darin, oft absurde Spiele aufzugabeln und zu unterstützen. Von 2012 bis 2014 erschienen unter Ihrem Banner Spiele wie Shadow Warrior, Luftrausers, Olli Olli, Hatoful Boyfriend, The Talos Principle und viele mehr. Viele dieser Titel bekommen ihre eigene Fancommunity und werden von Kritikern hoch gelobt.
Ein hervorragendes Gefühl für Gamedesign hatte der amerikanische Publisher schon bewiesen, aber 2015 legten sie noch eine Schippe drauf. Broforce, Titan Souls, Hotline Miami 2, Dropsy, Olli Olli 2 und auch Downwell erschienen letztes Jahr, alle ein Erfolg. Kaum ein Monat verging ohne einen neuen Hit aus dem Hause Devolver. Für die große Leistung, so vielen ausgefallenen Spielen ans Licht der Welt zu helfen und trotzdem ein Auge für das wesentliche zu behalten is Devolver Digital eindeutig mein Publisher des Jahres 2015.
Übrigens stehen 2016 mit Enter the Gungeon und Shadow Warrior 2 noch mindestens zwei vielversprechende Titel aus. Man darf also positiv in die Zukunft schauen!