Ist Dying Light, welches hierzulande nach derzeitigem Stand nicht offiziell erscheint, ein würdiger Nachfolger aus der Spieleschmiede Techlands? Oder fault es an allen Ecken und Enden ebenso schlimm, wie so manch schleifender Untoter? Die Frage klären wir in unserem Test!
Gute Nacht, und viel Glück!
„Verdammt, ich brauche nur noch ein paar mehr Medikamente, dann kann ich mich auf den Rückweg machen“ denkt sich unser Alter Ego Kyle Crane, der sich nach einem Flugzeugabsprung inmitten einer Stadt voller Untoter wiederfindet. Die eigene Nahkampfwaffe in der Hand wird nur noch von etwas Klebeband und Draht zusammengehalten, mehr haben wir auf unserem Beutezug nicht dabei, von Feuerwaffen ganz zu schweigen. Im Abendrot der Dämmerung leuchten wir mit unserer Taschenlampe in die schwach beleuchtete Seitenstraße hinter dem Haus, pirschen uns leise und vorsichtig aus der Hintertür und versuchen den Turm, unsere Basis, zwischen den ganzen verfallen Häusern zu erkennen. „Frei, nichts wie los!“.
Doch frei ist es nicht, wir hören ein schlürfendes Geräusch neben uns, drehen uns zur Seite und erblicken einen madig, faulenden Untoten, wie er bereits seine Arme empor gehoben hat und mit seinem lechzenden gesichtslosen Ausdruck auf uns zu. Gerade noch rechtzeitig heben wir unsere Waffe hoch, springen einen Schritt zur Seite, holen aus und verpassen dem Zombie einen gezielten Hieb unserer stumpfen Waffe gegen dem Kopf. Dieser beginnt augenblicklich zu taumeln, doch als wir zum nächsten Schlag ausholen wollen, merken wir, dass die Waffe auseinander gebrochen ist. „Fuck!“. Wir lassen die blutüberströmten Überreste unseres Baseballschlägers fallen und verpassen dem noch immer wankenden Untoten einen Tritt gegen den Kopf, wodurch dieser wieder einen Schritt nach hinten taumelt und dabei über eine aus der Verankerung gebrochenen Tür stolpert.
Schnellen Schrittes rennen wir hin zu ihm und geben ihm einen zweiten, sehr treffsicheren Tritt in Richtung seines Kopfes. Das restliche, faule Blut spritzt. Doch dann hören wir unsere Uhr lautstark piepen. Wir reißen den Arm hoch, schauen auf die Uhrzeit und bemerken, dass die Nacht jeden Moment hereinbricht. „Nichts wie weg hier, zurück in den Turm, in Sicherheit!“ Kyle rennt, springt über Hindernisse, zieht sich gekonnt an Wänden und Fassaden hoch und kommt dem rettenden Hauptquartier immer näher. Und doch hören wir bereits die ersten lautstarken Schreie aus der Dunkelheit. Die Nacht ist angebrochen.
Gestatten: Crane, wie der Kran!
Wir beginnen Dying Light als Geheimagent Kyle Crane, der über der Quarantänezone der türkischen Stadt Harran aus einem Flugzeug abspringt und bei seiner Landung von wilden Zombies verletzt wird. Nach einer turbulenten Flucht finden wir uns im Turm wieder, einer von den restlichen Überlebenden eingerichteten Unterkunft, die durch Verteidigungsmaßnahmen und Wachdienste als eine der letzten Bastionen gegen die Zombie-Apokalypse aufgebaut wurde. Um unsere Deckung als Agent nicht auffliegen zu lassen, spielen wir ein Spiel mit den Bewohnern, erledigen ein paar kleinere Aufträge für diese und bemerken schnell, die Absichten unseres geheimen Auftraggebers, der Hilfsorganisation GRE, stehen kontraproduktiv zum Überleben der Menschen in Harran. So wechselt Kyle in typischer Manier immer weiter die Seiten.
Auf unserer Mission durch Harran erkunden wir nicht nur die Umgebung rund um den sicheren Turm herum, sondern erledigen auch eine Vielzahl an verschiedenen Nebenmissionen, sammeln Gegenstände und Utensilien, verbessern und bauen uns unsere Ausrüstung, suchen verstecke Items, retten abgeworfene Hilfspakete, meistern Herausforderungen und bringen die spannende und mitreißende Geschichte immer weiter voran. Insgesamt kann man sagen, dass Dying Light einen sehr ordentlichen Umfang vorweißen kann und wir zu keiner Sekunde das Gefühl hatten, wir würden durch die zahlreichen Nebenaufgaben und Sammelmissionen nur künstlich bei Laune gehalten werden, um die Spielzeit zu strecken und uns im Spiel zu halten.
Nebenaufgaben machen Sinn, geben wertvolle Erfahrung, nützliche Gegenstände, Baupläne für besondere Waffen oder schlichtweg Kampferfahrung. Früh zeigt sich schon, wer nicht nur der Haupthandlung folgt, sondern sich auch rechts und links am Wegrand genauer umschaut, auch wenn dort keine Mission oder Nebenaufgabe auf uns wartet, der wird belohnt und erarbeitet sich seinen Charakter Kyle Crane nach seinen Wunschvorstellungen.
Toll: Wir verbessern Kyle nicht durch die üblichen Erfahrungspunkte, die wir durch das Abschließen von Aufgaben erhalten, sondern indem wir „spielen“. Wer viel springt, klettert und kämpft, der verbessert sich in im jeweiligen Talentbaum, steigt dort eine Stufe auf und kann anschließend neue und mächtige Attacken, Sprünge oder ähnliches freischalten und seinen Charakter nach und nach immer mehr an seine eigene Spielweise anpassen. Kämpfen wir effizient mit unserer Waffe, schubsen Zombies auch mal in eine der oft in Harran aufgestellten Fallen, erhalten wir Erfahrung in unserem Talentbaum Kraft und erhalten später noch stärkere Angriffe und eine bessere Abwehr. Klasse System! Das Live-Feedback über die gewonnen Punkte, welche einem in Form zweier Fortschrittsbalken am oberen Bildschrimrand angezeigt werden, wünschen wir uns gerne viel öfter. Hier hat Techland aus einer kleinen Idee und dem Spielkonzept an sich eine wunderbare Symbiose erschaffen.
Doch wo Licht, da auch Schatten
Was uns hingegen in unserem Test sehr negativ aufgefallen ist, ist die Synchronisation. Wir sprechen hier nicht von den Sprechern, denn diese sind allesamt stimmig und machen ihre Arbeit sehr gut, auch in der deutschen Synchronfassung. Konkret meinen wir die Lippensynchronisation, die stellweise überhaupt nicht zum gesprochen Wort passt. Oft passiert es, da spricht die Figur nicht, wir hören aber noch immer deren Monolog. An anderer Stelle finden wir das exakte Gegenbeispiel. Hier könnte man mit Sicherheit nochmal ansetzen und eine etwas ausgewogenere Balance finden. Ebenfalls sind und in unserem Test die immer gleichen Gesichter und Gesichtszüge der Überlebenden negativ aufgefallen.
Der erste Rundgang durch das Hauptquartier und die ersten Gespräche wirken stimmig und machen große Lust auf die Welt und die Geschichte von Dying Light. Doch sind wir ein paar Missionen weiter und treffen innerhalb von Harran immer mehr Überlebende, haben wir nach kurzer Zeit das Gefühl, all diesen Leuten bereits begegnet zu sein. Es kommen immer mehr Klone zum Vorschein, die teilweise sogar die exakt selben Gesichter haben, sich jedoch nur in ihrer Kleidung unterscheiden. Schade, hier könnten ein paar mehr Gesichter und Charaktere durchaus noch zur Stimmung beitragen.
Doch auch diese und ein paar weiteren Probleme lassen sich schnell vergessen, im Anblick dessen, was einem Dying Light alles zu bieten hat. Wer Spaß an Techlands Tropenhorror hatte, der wird auch in diesem mehr als würdigen geistigen Nachfolger absolut auf seine Kosten kommen. Der wunderbare Mix aus Nahkämpfen aus der Ego-Perspektive und der genialen Idee des Parkours, passt so perfekt zusammen, dass man sich wundert, wieso niemand bisher auf diese brillante Idee gekommen ist.
Fazit
Dying Light ist eine absolute Empfehlung für alle die, die noch nicht genug von der Dauerformel “Zombies” haben, sich aber gerne auf die frischen und interessante Ideen einlassen wollen. Das Parkour-System ist eine grandiose Erweiterung, die “Körperlichkeit” der Haupfigur fühlt sich angenehm realistisch an und die Geschichte geht mit einer Länge von rund 20+ Stunden mehr als in Ordnung. Man merkt Techlands Handschrift und das Erbe des Vorgängers und doch hat Dying Light genügend eigenen Flair um sich hervorzuheben.