Lange wurde die Sims 3 Reihe mit ihren unzähligen Add-Ons und Inhalten, am Leben erhalten. Wie schlägt sich der Nachfolger, dessen Erfolg laut Aussage von EA, über den Fortbestand der Spielreihe entscheiden soll?

Dumm gelaufen

Mein Alter Ego hat beim joggen Nancy Landgraab kennengelernt, und nach einigem Flirten und einigen Dates war die gut gebaute blonde Schönheit völlig von mir überzeugt. Natürlich war sie das!

Als dann in dem Auswahlmenü die Möglichkeit „Überzeuge Nancy sich von ihrem Mann scheiden zu lassen.“ auftauchte, ging mir auf, dass ich da irgendetwas Grundlegendes übersehen hatte … Was solls. Für Gewissensbisse war es jetzt auch zu spät. Nancy war schnell davon überzeugt, mit meinem Alter Ego durchzubrennen. Ihren Mann und Sohn hab ich aus der Villa rausgeschmissen (und ihnen großzügig meine kleine Startkaschemme geschenkt) und lebte dann glücklich und zufrieden mit ihr (und ihrem Geld) zusammen. Nur … war mir nicht bekannt, dass Nancy als Verbrecherkönigin arbeitet.

Moralisch will ich mich darüber nicht erheben, aber das praktischere Problem war … die Arbeitszeit!! Nachts von 20 Uhr bis in die frühen Morgenstunden ging sie arbeiten und ich stand morgens um sieben auf um meinem herkömmlichen „9 to 5“ Job als Literaturassistent nachzugehen. Unsere gemeinsame Zeit beläuft sich, wenn man das Duschen vor der Arbeit und Abendessen abzieht, auf ein bis zwei Stunden pro Tag. Wirklich kein guter Start für diese neue Ehe.

Lucy
Mit Nancy Landgraaf verheiratet zu sein hat meinem Sim viel Geld und eine schöne Villa gebracht und sie hatte Scheidungskummer…

Warum schildere ich Euch diesen Einstieg. Um mich als rücksichtsloser Herzensbrecher zu profilieren. Sicher nicht. Ich möchte Euch ein Beispiel geben, dass es nach wie vor möglich ist, bei den Sims eine eigene Geschichte zu schreiben. Viel von dem Drama findet natürlich im Kopf des Spielers statt, und ob man nach möglichen moralisch nicht ganz korrekten Entscheidungen noch immer gut schlafen kann, liegt an einem selber. Aber vielleicht zäumen wir das Pferd nicht von hinten auf und fangen lieber ganz am Anfang an.

Der Charakter-Editor

Das Beste gleich am Anfang! Der Editor ist sehr gut gelungen. Man hat bei diesem mehr Möglichkeiten, den eigenen Charakter zu gestalten. Alleine die vielen verschiedenen Einstellungen zu den Augen waren schon fast zu viel des Guten. Dazu wurde das Handling vereinfacht. Wenn einem z.B. bestimmte Proportionen des Körpers nicht gefallen, kann man die nicht nur über einen Schiebregler korrigieren, sondern auch auf die entsprechenden Partien klicken und diese durch Schieben mit der Maus verändern. So wird der kleine Bierbauch mal schnell wegretuschiert und das Kreuz etwas breiter gemacht.

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Der Sims Editor.

Bis zu acht verschiedene Sims, von Kindern, über Geschwistern und Eltern können bei Spielbeginn erstellt werden. Es reicht also für eine richtige Großfamilie. Das Startgeld ist wie immer viel zu niedrig und soll motivieren, sich eine gut bezahlte Arbeit zu suchen. Der Editor macht – Anders als der Rest des Spiels – einen durchdachten guten Eindruck und sorgt deshalb dafür, dass die Unzulänglichkeiten der anderen Spielinhalte umso deutlicher zu Tage treten.

Der Kern des Spiels

Als ich zum Spiel selber kam, fragte ich mich sofort, nachdem ich kurz mein kleines Haus bewundert hatte: „Wo ist die Stadt geblieben?“ Ja genau. Die Stadt wurde weggekürzt. Man sieht nicht mehr wie bei Sims 3 diese schöne Kleinstadt in der alle möglichen Sims zwischen Ihren Häusern und der Arbeit oder dem Park rumwuseln. Es gibt nur noch ein paar kleine Abschnitte mit ein paar Häusern, die auch noch durch Ladebildschirme voneinander abgetrennt sind. Einen Park und eine kleine Ausgehmeile mit sage und schreibe vier Locations (einem Museum, einer Bar, einer Lounge-Bar, einem Fitnessstudio), welche ebenfalls durch Ladebildschirme von dem kleinen Wohngebiet getrennt sind.

Ich spiele nicht mehr einen Sim in einer Kleinstadt, sondern habe das Gefühl ein Haus in einer Glaskugel zu sehen. Mag sein das einige Locations von Sims 3 auch nur Fassaden waren (Schule, Arbeitsplatz), aber der Beitrag zur Atmosphäre war definitiv gegeben, wenn ich sah, dass der Schulbus mein Kind abholte und zur Schule brachte. Oder wenn mein Sim in den städtischen Buchladen ging, um dort nach Arbeit zu fragen, sorgte das auch für Atmosphäre.

All das wurde weggekürzt, und da diese Elemente bereits bei Sims 3 häufig nur Fassade waren, blicken wir jetzt völlig unverschleiert auf weiß getünchte blanke Knochen rohen Gameplays. Die Atmosphäre und der Simulationsaspekt wurden einfach wegrationalisiert.

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Das ist die „Stadt“ die es bei Sims 4 zu bespielen gilt.

 Sonstiges

Es gibt noch weitere Dinge die weggestrichen wurden, zum Beispiel gibt es keine Baby-Phase mehr. Wer es genossen hat seinen Kindern in Sims 3 das Laufen beizubringen, wird das bei diesem Teil nicht können. Die Babys kommen schon im gehobenen Alter, quasi mit Turnschuhen und Schulbüchern auf die Welt. Die Liste an wegrationalisierten Elementen lässt sich noch weiter fortsetzen (warum gehen meine Sims nach wie vor „unsichtbar“ zur Arbeit?), doch an dieser Stelle denke ich können wir damit aufhören. Die Tendenz wird deutlich und es ist unleugbar: Dieses Spiel hat noch weniger Content und Umfang, als ein Basis Sims 3 (und das war ohne die vielen DLC´s ebenfalls sehr limitiert in seinen Möglichkeiten).

Sind wir an dieser Stelle nicht etwas unfair? Gibt es nicht auch Verbesserungen bei Sims 4 gegenüber dem Vorgänger. Ja die gibt es, aber keine von denen gibt so viel her, als das die Kürzung und Minimalisierung der Inhalte auf der anderen Seite aufgewogen werden kann. Erwähnenswert ist ein verbessertes (besser gesagt reduziertes) Mikromanagement für den Spieler. Es dauert nicht mehr Stunden zu duschen und die Sims schaffen es besser, Hygiene, Toilette und Essen auf die Reihe zu kriegen, damit sie nicht ständig hungrig und stinkend zur Arbeit fahren.

Außerdem gibt es jetzt emotionale Zustände für die Sims, welche die Sims in bestimmte Stimmungen versetzt und diese dann für bestimmte Aktionen empfänglicher machen (traurige Sims wollen niemanden um sich haben, kokett gelaunte Sims flirten gerne ect.). Das Beziehungssystem und die Verabredungen wurden ebenfalls verbessert. Es ist jetzt klarer ersichtlich, ob man nur freundschaftliche Interaktionen hat, oder tatsächlich in einer romantischen Beziehung ist.

gespraeche
Es ist klar ersichtlich wie die beiden Sims das Gespräch erleben und in welcher Stimmung sie sind.

All diese Verbesserungen sind angenehm und schön, aber es sind überall nur kleine Verbesserungen und man vermisst „den großen Wurf“ oder die große Weiterentwicklung. Der Editor ist besser, aber nur ein bisschen besser. Das Figurenverhalten ist besser, aber nur ein bisschen besser. Die emotionalen Zustände sind interessant, aber nichts bahnbrechend Neues. Die Erfolgsformel der Sims wurde nicht behutsam, sondern übervorsichtig verbessert und an anderen Stellen großzügig gekürzt. Das ist in meinen Augen keine Erfolgsformel für den nächsten Teil einer traditionsreichen Spielereihe. Die eigenen Geschichten, die man im Spiel schreiben kann, wie meine wilde Geschichte mit Nancy Landgraafs quasi aus Versehen zerstörter Ehe (huch Du bist nicht Single?), sind zwar interessant, aber können auch nicht dauerhaft über die Schwäche dieses Ablegers der Sims Reihe hinwegtäuschen.

Fazit:

Die wenigen Verbesserungen, die es gibt sind sinnvoll und relevant. Der Editor, die Reduzierung von lästigem Mikromanagement und das verbesserte Figurenverhalten sind angenehm und machen das Spielerlebnis flüssig. Nach wie vor ist es möglich Kopfkino zu fahren, und eine ganz eigene Simsgeschichte zu erleben, was einen schönen Grad an Immersion erzeugt.

Dem entgegen Stehen aber massive Kürzungen in der Kulisse und Atmosphäre, nervige Ladebildschirme, Features, die schlechter als bei einem Standard Sims 3 sind (keine Babyphase) und der Fakt, dass keine der Verbesserungen aus Sims 3 (wie z.b. spielbare Arbeit) den Weg in dieses Sims-Spiel gefunden hat. Vermutlich soll das alles per DLC nachgereicht werden. Aber in mir wird EA keinen Käufer finden.

Unser Redakteur Florian gehört zu der Gruppe Spieler, die in ihrer Jugend die allerersten Gehversuche der Spieleindustrie mit "Pong "auf dem Atari, dem Commodore C 64, oder dem ersten Sim City miterlebt haben.

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