GAIN Magazin

Review: Tropico 5 – Hola el Presidente!

Haemimont Games aus Sophia (Bulgarien), haben uns im Vorfeld ein neues generalüberholtes Tropico 5 mit vielen neuen Features versprochen. Hält Tropico 5, was es verspricht?

El Presidente ist zurück!

Ich habe Tropico 4 lange und ausdauernd gespielt. Das Spiel war nicht perfekt, aber es hat zusammen mit der Erweiterung „Modern Times“ solides Spielvergnügen geliefert. Groß war meine Erwartungshaltung Tropico 5 gegenüber und ich merke nachdem ich Tropico 5 nun gespielt habe, dass der Nachgeschmack eher bittersüß ist.

Das ist unser schönes Tropico (in einer Rendersequenz)
Das ist unser schönes Tropico (in einer Rendersequenz)

Doch bevor ich die Details, um Grafik, Spielmechanik, Kampf und den Humor erläutere, geht es um den ersten Eindruck den Tropico auf mich gemacht hat. Beim Spielstart wird man wie üblich von angenehmer Musik und Bildern der virtuellen Südsee empfangen. Man ist wieder in der Karibik! Nur dieses Mal ruckelte das Startmenü leider furchtbar und reagierte nur mit Zeitverzögerungen auf Mausbewegungen und Mausklicks. Das macht leider einen sehr unfertigen Eindruck, der die Vorfreude trübt. Aber mit etwas Geduld schafft es der aufstrebende Hobby-Diktator die Kampagne zu starten und wird sofort von „seinem“ Tropico empfangen. Das Artdesign, die Erzählung und die Musik erzeugen sofort das „Tropico-Feeling“. Der virtuelle Karibikurlaub zwischen Sim City und Junta kann beginnen. Alles in allem, trotzdem ein schöner Einstieg.

Spielmechanik und Grafik

Die Grafik von Tropico 5 ist irgendwie wenig besser als die Grafik von Tropico 4. Man kann keine großen Grafikverbesserungen entdecken. Natürlich wurden hier und da, Effekte und Schatten verbessert, aber es stellt sich kein großer „Wow“-Moment ein. Nun Tropico war niemals ein Grafikblender, aber das die Grafik seit Tropico 3 bestenfalls kleine Fortschritte gemacht hat, ist ein unbestreitbarer Fakt. In der Beziehung hätte ich gerne etwas mehr Einsatz gesehen.

Aber gut. Kommen wir aber nun zum Herz des Spiels, der Spielmechanik. Das generelle Konzept, eine eigene florierende Südsee-Insel-Diktatur zu errichten ist das gleiche geblieben. Noch immer müssen Häuser, Arbeitsplätze, Schulen, Grünanlagen und Industriegebäude errichtet werden, um die eigene Insel voran zubringen, währenddessen Feinde, Geldknappheit und Naturkatastrophen einem das Leben schwer machen. Die große und sehr gut gelungene Neuerung ist in diesem Rahmen, dass Tropico 5 das Spiel in mehrere Epochen aufteilt.

Man beginnt das Spiel in der Kolonialzeit mit einer sehr eingeschränkten Auswahl an Gebäuden, als Kolonie der königlichen Gnadenherrschaft und hat Musketen statt Sturmgewehren. El Presidente ist in diesem Szenario auch gar kein Präsident, sondern nur der Gouverneur der Insel. Nach und nach verbreitet man revolutionäre Stimmung auf der Insel, baut die Wirtschaft aus und vergrößert das Militär, um sich dann eines Tages für unabhängig zu erklären. Dabei ist es möglich sich gewaltsam, oder via Bezahlung einer großzügigen Summe von der Krone zu lösen. Danach wechselt man in die Zeit der Weltkriege über, wo man Industrien aufbauen kann und seine diplomatischen Beziehungen zu den Achsenmächten und den Alliierten pflegen muss. Durch bestimmte Ereignisse wechselt man später in den „Kalten Krieg“ und noch später in die „Moderne“. Jedes Mal werden neue Gebäude und Möglichkeiten freigeschaltet. Z.b. können während der Weltkriege erstmalig Militärbasen mit Panzern errichtet werden. Später gibt es für Tropico einen eigenen kleinen Flugzeugträger. Die Idee mit den Epochen ist zweifelsohne eine sehr gut gemachte Neuerung, welche Tropico sehr gut tut und ein wenig Abwechslung ins Gameplay bringt.

Beschaulich geht es in der Kolonialzeit zu

Leider sind nicht alle Neuerungen so positiv. Z.b. ist die Gebäudevielfalt teilweise eingeschränkter als im Vorgänger. Z.b. kann man nur noch sehr wenige verschiedenartige Wohngebäude bauen. Weshalb die Stadt mit den immer gleichen Apartmentgebäuden und Einfamilienhäusern zugepflastert ist. In Tropico 4 waren die Wohngebäude vielseitiger gewesen und gaben einem auch die Möglichkeit ein kleiner gemeiner Diktator zu sein, indem man seine Leute in heruntergekommenen Baracken einquartierte. Diese große Auswahl gibt es in Tropico 5 nicht mehr. Im Übrigen gibt es derzeit auch noch Probleme mit der Belegung der Wohnungen. Viele Arbeiter können sich Wohnungen leisten und es gibt auch günstige freie Wohnplätze, doch leben sie lieber in Wellblechhütten, neben einer Miene, als in einem klimatisierten Apartmentgebäude neben dem Stadtpark. In einem Spiel hatte ich über 30 freie Apartments, aber keiner der über 200 Obdachlosen wollte dort einziehen. Auch hier gibt es dringend Nachbesserungsbedarf. Das Problem mit der Wohnungszuweisung ist sicherlich leicht zu beheben, aber ob das Spiel eine größere Vielfalt an Gebäuden kostenlos spendiert bekommt, ist eher zweifelhaft.

Ebenfalls gut gemacht ist das neue Dynastie-System. Früher gab es nur El Presidente, doch jetzt gibt es eine ganze Dynastie. Allerdings hat jedes Dynastiemitglied (auch unser geliebtes Staatsoberhaupt) nicht mehr drei Fähigkeiten, sondern nur noch eine. Diese eine steigt auch nicht mehr mit der Zeit automatisch, sondern muss via „Schweizer Bankkonto“ verbessert werden. Das Schweizer Bankkonto ist in diesem Zusammenhang mehr eine Art Erfahrungspunktepool, als ein wirkliches Konto, erfüllt aber zum ersten Mal in der Tropico Spielereihe eine praktische Funktion.

Neu ist auch, dass es zum ersten Mal einen Technologiebaum gibt, in dem neue Gebäude, Erlasse und Verfassungsoptionen erforscht werden können. Der Technologiebaum ist eine gelungene Neuerung, aber ist für meinen Geschmack noch etwas zu linear. Etwas mehr Verschachtelung und echte Abwechslung hätten dem Technologiebaum gut getan. Trotzdem ist das eine positive Neuerung gegenüber den alten Teilen.

Der neue Technologie-Baum

Ansonsten fällt auch noch auf, dass Tropico häufiger angegriffen wird. Piraten, Königssoldaten, alliierte Panzer, Rebellen und sonstige Gegner tummeln sich auf dem Eiland und müssen von El Presidentes Soldaten, Panzern und Flugzeugen ins Jenseits geschickt werden. Das Kampfsystem ist immer noch oberflächlich, aber jetzt macht es zum ersten Mal Sinn, ein großes Militär aufzubauen, um die Feinde unter den Ketten der eigenen Panzer zu zermalmen. Auch diese Neuerung ist insgesamt sehr gelungen. Der kleine Flugzeugträger mit alten russischen Mig-Jägern ist auch ein echter Hingucker und erfüllt das größenwahnsinnige Präsidentenherz mit Stolz. Viva Tropico! Viva El Presidente!

Verbesserte Kämpfe – Jetzt sogar mit Panzern

Die Atmosphäre

„Als der Erbe [der Präsidentendynastie] geboren wurde brach ein Lichtstrahl durch die Wolken und fiel auf die Krippe des Neugeborenen und El Chupacabra kam persönlich, um sich vor dem Kind zu verneigen … zumindest werden wir das in die Geschichtsbücher schreiben!“

Ach was habe ich Penultimo vermisst. Harcore-Loyalist und El Presidentes einziger wahrer Freund hat den gleichen Synchronsprecher und macht weiterhin witzige Bemerkungen. Weitere Charaktere tauchen auf und präsentieren ihre Wünsche und Anmerkungen über die altbekannten Textboxen, welche inzwischen allerdings nicht mehr ganz zeitgemäß sind. In diesen Punkten hat der unterschwellige Zynismus von Tropico keine Qualität verloren, allerdings in Sachen Präsentation auch keine Fortschritte gemacht.

Ein großen Wermutstropfen habe ich allerdings anzumerken: Den Radiosender. Das Tropico-Radio besteht nur noch aus Lulu. Welche genau so wie Sunny in Tropico 4, eine grün-emanzipiert-vegetarisch-ausschweifend lebende moderne Frau ist. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist das sie einfach nicht witzig ist. Sunny in Teil 4 war auch nicht witzig, aber das Tropico 4 Radio hatte Witz, weil Penultimo und Sunny gemeinsam im Radio waren.

Der konservative Hardcore-Loyalist Penultimo und Naturschutz-demokratische Freiheitskämpferin Sunny waren einfach lustig, weil ihre Positionen völlig unvereinbar gegensätzlich waren. Dialoge wie:

Sunny: “Unser heutiges Thema: Wahlen. Die Leute fordern …“
Penultimo: „ … weil sie El Presidente lieben und ihn unterstützen möchten …“
Sunny: “ …ganz offen freie Wahlen.“

oder

Sunny: „Tropico News berichtet täglich über soziale, alltägliche, wirtschaftliche und sportliche Themen. Rufen sie uns an, wenn sie Fragen haben“
Penultimo: „Für politische Themen wenden sie sich bitte direkt an die Soldaten vor dem Präsidentenpalast.“

sind einfach unvergesslich und obwohl ich sie schon dutzende Male gehört habe, muss ich doch jedes Mal wieder schmunzeln, wenn ich sie höre. Ohne Penultimo kann Lulu nicht mehr den gleichen Charme verbreiten und die Witze fallen flach, da die „Zündung“ durch den ideologischen Gegenpart Penultimo nicht mehr passiert.

Mit der Zeit mausert sich Tropico zu einer dicht besiedelten Insel

Insgesamt ist die Atmosphäre gelungen. Man spürt nach wie vor: Das ist das zynische Tropico! Doch ohne ein gutes Pendant zum guten alten Tropico Radio, fällt die Immersion leider geringer aus.

Multiplayer

Tropico hat diese Mal einen Multiplayer spendiert bekommen, was sehr positiv ist. Erstmalig können bis zu vier Spieler gemeinsam auf einer Insel spielen. Dabei können sie gemeinsam oder gegeneinander spielen. Ressourcen, Strom und Bevölkerung können von verbündeten Spielern geteilt werden, welche dann gemeinsam das Spiel gewinnen können. Das ist eine gelungene Neuerung, die die Serie ebenfalls bereichert.

Zu Beginn gab es, laut Aussage einiger Spieler, einige Lags und Matchmaking-Probleme. Diese werden aber sicherlich mit den nächsten Patches beseitigt werden. Der erste Patch der auch Verbesserungen des Multi-Players beinhaltet, ist bereits online.

Fazit

Tropico 5 ist ein Spiel bei dem viele positive Neuerungen, aber leider auch „Verschlimmbesserungen“ gemacht wurden. Die neuen Epochen, die interessante Kampagne und die Familien-Dynastie sind durchaus gelungen.

Aber auf der anderen Seite gibt es weniger verschiedene Gebäude und der Humor, hat durch die alleinige Besetzung von TNT-News mit Lulu und den Wegfall der Präsidenten-Wahlreden einen Dämpfer erlitten. Auch fühlen sich manche Spielmechniken „oberflächlicher“ an. Es gibt mehr, aber bei diesem „mehr“ ist man nicht in die Tiefe gegangen.Tropico 5 wird jeden Freund der Tropico Reihe gut unterhalten. Der Wiedererkennungswert ist nach wie vor gegeben und die Spielmechanik, rund um den Aufbau und die Pflege des kleinen Inselstaates macht durchaus Spaß. Haemimont Games hat sein Versprechen gehalten und Tropico generalüberholt, nur leider sind nicht alle Veränderungen positiv. Die Fortsetzung ist somit solide, aber keineswegs überragend geworden.

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