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Egal ob Literatur, Theater, Film oder Videospiel – überall existieren Genres. Kategorisierungen spielen eine wichtige Rolle bei der Rezeption verschiedener Werke. Was passiert aber, wenn bestimmte Vertreter eines Mediums sich nicht klar zuordnen lassen? Sei es die Erfindung neuer Genres oder das Überschreiten von Genregrenzen: Das Videospiel sprengt immer mehr die traditionellen Formen der Kategorisierung.

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Die Funktion des Genres

 

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Die Einteilung in Genres ist ein weitverbreitetes Mittel zur Orientierung innerhalb verschiedener Medien. Sie ermöglichen es Lesern, Kinogängern oder Spielern, diejenigen Werke zu identifizieren, die für sie von Interesse sind. Das Genre ist nach dem Autor der häufigste Grund, weshalb Menschen bestimmte Bücher kaufen. Bei Spielen verhält es sich nicht anders. Nach einer Untersuchung, die 2015 im Journal of the Association for Information Science & Technology publiziert wurde, antworteten 74 Prozent der befragten Gamer, dass das Genre ein wichtiger Faktor für ihre Kaufentscheidung ist. Genrebestimmungen sind darüber hinaus nützlich, um verschiedene Werke miteinander zu vergleichen. Es mag fast unmöglich sein, ein Jump’n’Run wie Super Mario angemessen mit einem Echtzeitstrategie-Spiel wie Command & Conquer zu vergleichen. Sinnvoller wäre es, diese mit vergleichbaren Spielen in ein Verhältnis zu setzen. Dafür sind Genrebestimmungen überaus nützlich.

Was passiert jedoch, wenn die Genre-Grenzen zunehmend brüchig werden? Durch das im historischen Vergleich immer noch junge Medium des Computerspiels werden traditionelle Konzepte der Kategorisierung herausgefordert. Auch wenn heute große Anstrengungen unternommen werden, Spiele wie Filme und Literatur zu sortieren, so führen diese Vorhaben oft in eine Sackgasse. Eines der extremsten Beispiele für die Komplexität von Genres im Bereich des Videospiels ist das populäre Minecraft, das mit einer Vielzahl unterschiedlicher Genrebezeichnungen versehen wird, wie Fun-Game (GameStop), Action (Mobygames), Action-Adventure (Giantbomb), Fantasy (Metacritic), Strategy/Adventure (PSN), Open-World, Rollenspiel (Wikipedia). All diese Bezeichnungen sind aus einer bestimmten Sichtweise akkurat. Dies zeigt, dass ein Spiel nicht nur eine einzige Identität hat, die sich unter einem einzigen Begriff zusammenfassen lässt.

Doch nicht alle diese Genre-Kategorien funktionieren auf der gleichen Ebene. Es gibt Meta-, Haupt- und Subgenres. First- oder Third-Person-Shooter sind beispielsweise Subkategorien für das übergeordnete Genre des Shooters, die etwas über die Perspektive aussagen. Taktik-Shooter ist eine nähere Subkategorie für das Gameplay. Open-World ist dagegen ein Meta-Genre, welches auf diverse Spielarten angewandt werden kann. Schließlich können alle möglichen Spiele eine offene Welt beinhalten, seien es Adventures, Actionspiele, Rollenspiele oder sogar Rätselspiele (The Witness).

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[aesop_image imgwidth=”100%” img=”https://www.gain-magazin.de/wp-content/uploads/minecraft-1.jpg” alt=”Mincraft lässt sich nur schwer einem einzigen Genre zuordnen.” align=”center” lightbox=”on” caption=”Mincraft lässt sich nur schwer einem einzigen Genre zuordnen.” captionposition=”center” revealfx=”off” overlay_revealfx=”off”]

Spiele sind mehr als ihre narrativen Komponenten

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Natürlich lässt sich die Zuordnung von Filmen und Büchern häufig ebenfalls nicht auf einen einzigen Begriff reduzieren. Man kennt Mischformen wie „Tragikomödien“ oder „Science-Fantasy“. Krimis besitzen einen fließenden Übergang zum Thriller oder Drama. Sie lassen sich zusätzlich in mehrere Unterkategorien einteilen, wie Polizei-, Detektiv- oder Gangstergeschichten. Feststehend ist hier nichts. Videospiele besitzen jedoch eine Vielfalt, die andere populäre Medien nicht aufweisen und die es schwieriger macht, klare Grenzen zu definieren. Spiele sind, anders als Filme und Bücher, mehr als ihre narrativen Komponenten. Wer Lust auf einen Film mit lustiger Handlung hat, wird unter der Kategorie „Komödie“ sicher immer einen Film finden, der zumindest den Genre-Erwartungen entspricht. Wenn ich aber auf Steam nach „Adventure“ suche, dann erhalte ich nicht nur einen feinen graduellen Unterschied innerhalb des Genres, sondern tatsächlich völlig andere Spiele.

Ist es vielleicht ein Text- oder ein Grafikadventure? Funktioniert es gemäß Point & Click oder steuere ich meine Figur direkt? Hat es Action- oder Rollenspielelemente? Die Kategorie des „Adventures“ ist viel schwammiger als viele Filmgenres, da Spielmechanik, Perspektive, Hintergrund und Narration zu einer enormen Diversität führen. Steam und andere Vertriebsplattformen kommen dieser Unübersichtlichkeit dadurch entgegen, dass den Spielen unterschiedliche Tags verliehen werden. Dabei kommen Suchkategorien zustande, die sich auf diverse Eigenheiten des Spiels, wie die Stimmung (lustig, ernsthaft), die Themen (Roboter, Magie oder Zukunft), das Setting (Mittelalter, Zukunft) oder den visuellen Stil (Comic, Pixellook), beziehen. Das ist ein legitimer Weg, den herkömmlichen Zuordnungen zu entgehen.

Doch obwohl das Medium des Videospiels eine komplexere Genrestruktur erfordert, gibt es auch hier sehr feste Konventionen. Indie-Entwicklerin Anna Anthropy schreibt in ihrem Buch „A Game Design Vocabulary*“, dass unsere Sprache uns oftmals daran hindert, Fortschritte im Spieldesign zu ermöglichen. Starre Genrebezeichnungen würden ein wachsendes Maß an Stagnation hervorbringen. Sie beschreibt die Diskussion, die anhand ihres eigenen Werks dys4ia stattfand – ein autobiografisches Spiel mit sehr unterschiedlichen Miniaufgaben entlang einer kleinen Erzählung. Viele fragten sich, ob man es überhaupt als Spiel bezeichnen könne, weil es nicht den bekannten Genre-Konventionen folgt. Man darf nicht vergessen, dass das Genre auch als etablierte Struktur für Entwickler von Spielen fungiert, um sich an bereits bekannten Modellen und Vorbildern orientieren zu können. Es bedarf etwas mehr Kreativität, um über das bereits Bestehende hinauszugehen. Ebenso ratlos sahen viele dem Aufkommen von Spielen wie „Dear Esther“ entgegen, die anfangs abwertend als „Walking-Simulatoren“ bezeichnet wurden.

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Cross-Genre als Innovationstreiber

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Sind wir im Spielebereich vielleicht doch zu engstirnig, wenn Spiele zu stark von dem abweichen, was wir gewohnt sind? Nicht nur in der Schöpfung und Akzeptanz neuer Arten von Spielen liegt ein Innovationspotenzial. Cross- oder Mixed-Genre-Spiele zeigen, dass die Grenzen zwischen verschiedenen Spielen deutlich fließender verlaufen. Die Zusammenführung verschiedener Spielmechaniken kann ein völlig neues Spielgefühl hervorbringen und die vorhandenen, starren Kategorien aufweichen. Bereits 1989 brachte Quest for Glory Rollenspielelemente in das Grafikadventure. Man wählte zwischen unterschiedlichen Klassen und Fähigkeiten, die sich im Laufe des Spiels verbessern konnten. Die adventuretypischen Rätsel konnten dann auf unterschiedliche Weise, je nach Charakter und Fähigkeiten, gelöst werden. Spiele wir Battlezone aus dem Jahr 1998 sowie Rise & Fall von 2005 verbanden das Echtzeitstrategie- mit dem Action-Genre und führten damit zwei Spielmechaniken zusammen, die sich auf den ersten Blick ausschließen.

Bewegen wir in Rise & Fall einerseits unsere Truppen strategisch über die Karte, so steht uns andererseits ebenso die Möglichkeit frei, direkt in das Schlachtgetümmel einzugreifen, indem wir einen Helden aus der Schulterperspektive steuern. Damals war Rise & Fall eine Antwort auf die Innovationslosigkeit in der Echtzeitstrategie. Chefentwickler Rick Goodman sagte damals gegenüber Gamespy: „Über die letzten paar Jahre gab es viel Kritik am Echtzeit-Genre für die wenigen Innovationen, die es hervorbringt und ich denke, dass einiges von dieser Kritik richtig ist. Wir müssen deutlich härter arbeiten, um neue Spielerfahrungen zu ermöglichen und den Spieler Dinge sehen lassen, die er in einem Echtzeit-Spiel noch nie zuvor gesehen hat.“ Rise & Fall erhielt seinerzeit durchaus passable Wertungen, war aber weder im Action- noch im Echtzeitbereich sonderlich anspruchsvoll im Vergleich zu Produkten der Konkurrenz, die sich nur auf eine einzige Mechanik beschränkten.

Noch umfangreicher betrieb Spore aus dem Jahr 2008 die Vereinigung unterschiedlicher Genres. Entwickler Will Wright bezeichnete sein Spiel einmal als „Alles-Simulator“ und es ist nicht weniger als das. Wir sorgen darin für die Entwicklung und den Fortschritt einer ganzen Spezies. Das Spiel ist in mehrere Phasen eingeteilt: Am Anfang steuern wir einen Organismus, der sich von anderen Lebewesen ernähren muss, um zu überleben. Hier kommt ein wenig Pac-Man-Gefühl auf. Dies setzt sich in der nächsten Phase in einer 3D-Umgebung fort, an deren Ende wir uns (ähnlich wie in einem Rollenspiel den Charakter) eine eigene Kreatur basteln können. Anschließend haben wir eine kleine Population dieser Spezies und das Spiel wandelt sich zu einem Echtzeitstrategie-Spiel, in dem wir uns gegen andere Völker durchsetzen müssen, bis wir eine so hohe zivilisatorische Stufe erreicht haben, dass wir andere Planeten besiedeln. Dann wird aus Spore eine Weltraum-Simulation. Spore ist in höchstem Maße abwechslungsreich und innovativ, konnte aber nicht die Schwäche verbergen, dass die meisten Abschnitte des Spiels relativ langweilig und nicht allzu tiefgehend sind.

Hier liegt sicherlich das Risiko von Cross-Genre-Games verborgen. Wenn man zu viel in ein Spiel packen möchte, kann man möglicherweise nicht in jedem Bereich volle Qualität anbieten. Dies ist zwar ein Problem, welches sich durch ein entsprechendes Budget lösen ließe, doch ein anderes Problem wiegt schwerer: Ein Strategie-Spieler möchte vielleicht einfach keine Action-Passagen spielen und umgekehrt. Ein Cross-Genre-Spiel muss im Zweifel Menschen abholen, die sich mit mehreren Spielmechaniken anfreunden können. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb das innovative Battlezone zwar ein Kritikerliebling war, aber bei den Verkäufen ein Flop oder weshalb Spiele wie Fallout (ab Teil 3) und die Mass-Effect-Serie ihre innovative Verbindung aus Rollenspiel und Shooter in späteren Serienablegern systematisch zugunsten des Shooter-Anteils zurückfuhren, um eine noch viel größere Anzahl an Spielern anzusprechen.

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[aesop_image imgwidth=”100%” img=”https://www.gain-magazin.de/wp-content/uploads/total-war-serie.jpg” alt=”Die Total War-Serie mixt Runden- mit Echtzeitstrategie.” align=”center” lightbox=”on” caption=”Die Total War-Serie mixt Runden- mit Echtzeitstrategie.” captionposition=”center” revealfx=”off” overlay_revealfx=”off”]

Es kommt auf das Ausmaß an

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Wie erfolgreich die Verknüpfung verschiedener Genres sein kann, ergibt sich wohl auch durch das Ausmaß, das diese Verschmelzung annimmt. Eine Möglichkeit, mit Cross-Genre umzugehen, wäre die Möglichkeit, dem Spieler die Wahl zu lassen, auf welche Weise er sich an den unterschiedlichen Elementen beteiligen möchte. Die Total-War-Serie hat genau dies praktiziert. Hier werden Rundenstrategie auf einer großen Weltkarte und Echtzeitstrategie für das Austragen einzelner Schlachten zusammengebracht. Es obliegt jedoch uns selbst, ob wir die Schlachten tatsächlich in Echtzeit austragen oder simulieren lassen wollen. Wer will, kann sich mit der Rundenstrategie zufriedengeben. Ebenso bot die Total-War-Serie Einzelschlachten oder Kampagnen, die lediglich Echtzeitschlachten ohne Rundenstrategie ermöglichten. Wer will, kann in diesen Spielen genau den Aspekt beiseite lassen, der ihm spielerisch nicht liegt.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, nur in geringem Maße einen genrefremden Aspekt in das eigene Spiel zu integrieren. Warcraft 3 setzte im Jahr 2002 auf ein Echtzeitstrategiespiel, welches mit Rollenspielelementen angereichert wurde. Hier konnten wir plötzlich neben den Standard-Einheiten auch Helden steuern. Diese gewannen durch Kämpfe Erfahrung, konnten im Level aufsteigen und mit Gegenständen bestückt werden. Im Kern blieb Warcraft 3 aber immer ein klassisches Echtzeitstrategie-Spiel. Es wurde lediglich in feinen Dosen durch ein anderes Genre ergänzt. Warcraft 3 zeigte, welche enormen Innovationen möglich sind, wenn sich ein Genre für Elemente aus anderen Genres öffnet. Die Helden auf dem Schlachtfeld verleihen dem Spiel eine zusätzliche taktische Tiefe. Überhaupt scheinen sich die Rollenspielelemente, bestehend aus Levelsystemen, Erfahrungspunkten, verschiedenen Fähigkeiten, charaktergetriebener Narration und Entscheidungsmöglichkeiten, am ehesten in verschiedene Genres unterbringen zu lassen, weshalb man sie heute in diversen Spielen antreffen kann.

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Keine starren Genregrenzen

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Ob sich verschiedene Genres miteinander kombinieren lassen, hängt mitunter auch davon ab, wie nah sich die Genres tatsächlich sind. Es mag eine Sache sein, Runden- und Echtzeitstrategie zusammenzubringen, teilen diese doch immerhin ein gemeinsames Obergenre. Ebenso mag es einfach sein, ein Levelsystem in einen Shooter einzubauen. Doch das Echtzeitstrategiespiel, das mit einem Jump’n’Run verbunden wird, muss wahrscheinlich erst noch erfunden werden. Eines scheint jedoch sicher: Genres sollten nicht als starre Gebilde betrachtet werden, die nach festen Konventionen zu funktionieren haben. Gerade das Durchbrechen von fest eingespielten Genregrenzen birgt ein enormes Innovationspotenzial im Gamingbereich.

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Dieser Artikel ist in Ausgabe #4 des GAIN Magazins erschienen.

* = Affiliatelink

Team verlassen im Mai 2020.

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